Ein Kommentar von Stephan Frey
Die Große Koalition (GroKo) ist aktuell noch nicht in trockenen Tüchern, aber der Koalitionsvertrag steht bereits fest.
Dabei gilt es für den Bereich der Pflege die Punkte herauszusuchen, die in den nächsten vier Jahren möglicherweise direkte Auswirkung auf den Bereich der Kranken-und Altenpflege ausüben.
Was genau plant die GroKo für den Bereich der Pflege?
GroKo: Personalkosten sollen von Fallpauschalen abgekoppelt werden

In den Krankenhäusern soll es nach Auffassung der potenziellen Regierungsparteien eine Vergütungspraxis geben, die die Personalkosten von den Fallpauschalen abkoppelt.
Geplant ist demnach die Pflegepersonalkostenvergütung mit den Fallpauschalen zu kombinieren.
Dadurch soll der Spareffekt in der Pflege beendet werden.
Bisher ist es so, dass die Fallpauschalen auch zur Deckung der Personalkosten genutzt werden.
8000 Fachkräftestellen sollen sofort geschaffen werden
Zudem wollen die Unionsparteien und die SPD mehr Investitionen in Kliniken stecken.
Ebenfalls neu ist, dass die Personalausstattung im Bereich der Krankenpflege und der Altenpflege durch die Schaffung von 8000 neuen Stellen für Fachkräfte verbessert werden soll.
Diese Schaffung von mehr Personal soll aus den zur Verfügung stehenden Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert werden.
Daneben wollen die potenziellen Regierungsparteien eine Ausbildungsoffensive starten, bessere Anreize für eine Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit schaffen und für länger aus dem Beruf befindliche Personen Wiedereinstiegsprogramme fördern.
Bessere Bezahlung der Pflege geplant
Zudem sollen Pflegehilfskräfte zu Fachkräften weitergebildet werden.
Auch die Bezahlung im Bereich der Altenpflege soll durch Anwendung flächendeckender Tarifverträge verbessert werden.
Für den Bereich der ambulanten Pflege beziehungsweise von Pflegebedürftigen die zu Hause betreut werden, sollen die pflegenden Angehörigen zukünftig einen Rechtsanspruch auf eine Auszeit mit anschließender Rehabilitation erhalten.
Kinder von pflegebedürftigen Eltern sollen zudem weitgehend entlastet werden, nämlich dahin gehend, als dass ihr Gehalt erst ab einer Höhe von 100.000 Euro Jahreseinkommen Berücksichtigung finden sollen.
GroKo: Wie sind die geplanten Maßnahmen zu bewerten?
Zunächst einmal gilt es zu erwähnen, dass die geplanten Verbesserungen durchaus gut gemeint sind und sich hier jegliche Polemik verbietet.
Insbesondere die Tatsache, dass die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die selbst an einer chronischen Erkrankung leidet und insofern eine persönliche Beziehung zum Bereich der Pflege besitzt, gilt es zu beachten.
Da die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin seit einigen Jahren unter Multipler Sklerose leidet und zeitweise auf den Rollstuhl angewiesen ist, lassen sich ihre Bemühungen für den Bereich der Pflege als ehrlich betrachten.
Dreyer hat zusammen mit Karl Lauterbach (beide SPD) maßgeblich für die Verbesserungen im Bereich der Pflege in den Koalitionsverhandlungen gearbeitet.
Beiden sind hier aufgrund ihrer Ausbildung und persönlichen Betroffenheit (Karl Lauterbach ist nicht nur Gesundheitsökonom, sondern auch Mediziner) ehrliche Motive zu attestieren.
Pflegepersonal: Mehr Stellen lassen sich nicht herbeizaubern
So ist der Ansatz im Hinblick auf die Pflege Personalkostenvergütung in Kliniken ein sehr guter Ansatz, der mittelfristig durchaus auch für mehr Beschäftigung im Bereich der Pflege in Kliniken sorgen kann.
Die Schaffung von 8000 Fachkräftestellen erweist sich jedoch bei genauer Betrachtung als utopisch.
Einerseits gibt es bereits jetzt schon einen deutlichen Mangel an Fachkräften, und die Pflegekräfte, die in Rente gehen oder aus Krankheitsgründen nicht mehr den Beruf ausüben können, müssen zunächst einmal durch neue Kräfte ersetzt werden.
Mehrere Studien, die bis zum Jahr 2025 einen Pflegepersonalmangel je nach Studie zwischen 152.000 und 195.000 Stellen prognostizieren, verdeutlichen die Problematik (vgl. Frey 2012). Insofern können 8000 Fachkräftestellen aufgrund des allgemeinen Mangels an Fachkräften zwar auf dem Papier geschaffen werden, aber die Pflegekräfte stehen real nicht auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.
Arbeitsbedingungen für Generation Y zumTeil untragbar
Solange der Pflegeberuf zudem als unflexibel in Bezug auf die Dienstzeiten gilt, dürfte auch die geplante Ausbildungsoffensive nur wenig positive Effekte bringen.
Derartige Ausbildungsoffensiven werden unter anderen durch kirchliche Träger wie die Caritas oder die Diakonie und auch den DBfK bereits seit Jahren nur mit mäßigem Erfolg durchgeführt.
Für junge Leute, die viel Wert auf einen ausgewogenen Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit legen (Stichwort Generation Y) ist der Pflegeberuf in vielen Fällen als nur wenig attraktiv zu betrachten.
Tarifvertrag: Und was ist mit den zahlreichen privaten Anbietern?
Die Bezahlung für den Bereich der Altenpflege, die gestärkt werden soll, mag auf den ersten Blick ebenfalls positiv klingen, betrifft aber in aller erster Linie kommunale Träger beziehungsweise die Träger der Länder (Beispiel Landeskliniken NRW).
Denn sowohl die kirchlichen Träger wie auch private Träger sind nicht an einen flächendeckenden Tarifvertrag gebunden.
Kirchliche Träger haben beispielsweise ihren eigenen Tarif gemäß AVR. Für private Träger und hier insbesondere private Alten-und Pflegeheime gibt es mitunter überhaupt keinen Tarifvertrag oder nur einen Tarif, der individuell gestaltet wird.
Stärkung pflegender Angehöriger: Richtiger Ansatz
Positiv zu bewerten ist hingegen die Stärkung pflegender Angehöriger.
Grundsätzlich lässt sich somit sagen, dass die Maßnahmen der potenziellen Großen Koalition für den Bereich der Pflege durchaus gute Ansätze beinhalten, im Hinblick auf eine Verbesserung der Personalsituation und im Hinblick auf eine tatsächliche Erreichung der Personalquoten jedoch grundsätzlich zu wenig potenzielle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland vorhanden sind.
Pflege kann jeder?
Die Migration kann hinsichtlich der Personalsituation eine deutliche Entlastung bringen.
Allerdings gilt es auch hier zu sagen, (unabhängig von der Herkunft, das betrifft ebenso deutsche Arbeitnehmer) bedeutet Pflege weitaus mehr als Waschen und Anziehen.
Insofern ist auch nicht jeder für die Pflege gleichermaßen geeignet.
Auch dieser Aspekt spielt im Hinblick auf die Verbesserung der Personalsituation eine bedeutende Rolle.
Polemik verbietet sich: Verbesserungen in der Pflege sind gut gemeint
Dennoch verbietet sich, wie in einigen Medien durchaus geschehen, die gut gemeinten Verbesserungen der GroKo als bloße Fassade, Kosmetik oder Ähnliches abzutun.
Dem Grunde nach bedeuten die im Koalitionsvertrag ausgehandelten Eckpunkte für den Bereich der Pflege tatsächlich mögliche Verbesserungen.
Lediglich der demografische Wandel dürfte hier die gesamte geplante verbesserte Personalausstattung über den Haufen werfen.
Zudem würden 8000 neue Fachkräfte als Sofortmaßnahme pro Pflegeeinrichtung insgesamt nicht einmal einer Vollzeitstelle pro Einrichtung entsprechen.
Andererseits lässt sich jedoch die Frage stellen, wie ein Koalitionsvertrag einer Jamaika Regierung für den Bereich der Pflege ausgesehen hätte.
Besser? Wohl eher das Gegenteil, hin zu noch mehr Einsparungen im Pflegebereich und mehr Konzentration auf den freien Markt, im Sinne weiterer Privatisierungen des Gesundheitswesens.
Frey 2012: Stephan Frey: Neue Pflegekonzepte trotz zunehmenden Fachkräftemangels: Eine pflegewissenschaftliche Studie auf Basis kommunikativer Pflege: AVM – Akademische Verlagsgemeinschaft München, Auflage: 1., Aufl. (14. Mai 2012), ISBN-10: 3869242760
Wie denken Sie als Pflegekraft über die geplanten Verbesserungen in der Pflege? – Wir freuen uns sehr auf Ihre Zuschriften per eMail an Post@Pflege-Liebe.de.
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