Pflegekraft als Arztersatz: Positiv oder negativ zu bewerten?

Pflegekraft als Arztersatz: Positiv oder negativ zu bewerten?

Pflegekraft bald halber Arzt? Pflegekräfte sollen laut einer Expertengruppe mehr Verantwortung erhalten. Nach Maßgabe der Expertengruppe sollte der Pflegeberuf attraktiver werden.

Ist dieser Vorstoß positiv oder negativ zu bewerten?

Pflegekräfte: Halber Arzt, halbe Pflegekraft?

Pflegekraft-als-Arztersatz-Positiv-oder-negativ-zu-bewerten? - Pflege Liebe Zeitschrift
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Nach einem Statement der von der Robert Bosch Stiftung eingesetzten Expertengruppe, reicht das von der neuen Bundesregierung im Koalitionspapier vereinbarte so genannte „Sofortprogramm Pflege“ nicht aus, um den aktuellen Personalmangel im Bereich der Pflege aktiv zu bekämpfen.

Nach Angaben der Expertengruppe muss der Beruf von Grund auf attraktiver werden, um ausreichend Fachpersonal finden zu können.

Zudem müssen die Karrierechancen im Beruf verbessert werden.

Mit Eliten pflegen: Oder besser ohne Eliten pflegen?

Die Expertengruppe hat hierbei ein Papier mit dem Namen „Mit Eliten pflegen“ entworfen.

Einer der Kernpunkte zur Attraktivitätssteigerung des Berufs stellt hierbei die Übernahme ärztlicher Aufgaben durch Pflegekräfte in den Vordergrund.

Insbesondere in ländlichen Regionen sollen Pflegekräfte demnach Aufgaben der ärztlichen Primärversorgung mit übernehmen.

Franz Wagner, Präsident des Deutschen Pflegerats und Mitglied, der von der Robert Bosch Stiftung eingesetzten Expertengruppe sagt, dass derzeit Pflege vor allem so wahrgenommen wird, dass diese ausschließlich aus Tätigkeiten der Grundpflege bestehen würde.

Stattdessen soll nach Angaben der Expertengruppe die Pflegekräfte zukünftig den Versorgungsbedarf mit festsetzen können und auch die Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege festlegen können.

Zudem sollen Beratungsleistungen dem Leistungskatalog der Pflege zugeordnet werden können.

Das sogenannte Manifest „Mit Eliten pflegen“ wurde von der Expertengruppe, die aus 40 Experten besteht, verfasst.

Unter den Experten befinden sich sowohl Ärzte als auch der Präsident des Pflegerats und Pflegewissenschaftler so wie Pflegekräfte.

Sind die vorgeschlagenen Maßnahmen nun als positiv oder negativ zu bewerten?

Wollen sich die Ärzte unliebsamer Aufgaben entledigen?

Was der Pflegerat und auch die Expertengruppe insgesamt offenbar  falsch interpretiert, ist die Tatsache, dass die Pflege ein eigenständiges Berufsbild ist.

Durch die Übertragung ärztlicher Tätigkeiten auf den Bereich der Pflege wird so zunächst einmal ein größerer Verantwortungsbereich in den Bereich der Pflege verlagert und damit gleichzeitig auch mehr Arbeit statt einer Entlastung entstehen.

Auch würde dies zunächst einmal mehr Verantwortung und damit auch eine größere Gefahr gefährlicher Pflege bedeutet.

Das sprichwörtliche „mit einem Bein im Gefängnis“ würde so angesichts der Personalsituation zunehmen.

Die Hoffnung, dass durch ein „elitäres Verständnis“ der Pflegeberuf attraktiver würde, dürfte fehlgeleitet sein.

Denn einerseits fällt auf, dass beispielsweise die Pflegekräfte im ländlichen Gebiet Aufgaben der Ärzte übernehmen sollen, weil hier keine Ärzte mehr vorhanden sind.

Somit wird die ärztliche Versorgung auf Pflegekräfte verlagert und damit gleichzeitig wiederum mehr Arbeit auf die Pflege ausgelagert.

Außerdem fällt auf, dass insbesondere Leistungen, die der Arzt als lästig empfindet, in den Bereich der Pflege ausgelagert werden soll.

Elitäres Gehabe sorgt für Empathieverlust

Ob hierdurch eine Attraktivitätssteigerung zu erwarten ist, darf bezweifelt werden.

Auch der Titel des Manifests „Mit Eliten pflegen“ zeigt, welche Herangehensweise die Experten an das Manifest angelegt haben.

Durch ein Elitenverständnis wird das, was Pflege mitunter auch ausmacht, nämlich Empathie, völlig fallen gelassen.

Durch ein künstlich hervorgerufenes Eliteverständnis mag zwar der eine oder andere dem Pflegeberufe mehr zugetan sein, ob diese Person aber für den Pflegeberuf letztlich geeignet ist oder stattdessen sich lediglich das Etikett der vermeintlichen Elite anheften möchte, darf insofern bezweifelt werden.

Letztlich darf mit Recht die Frage gestellt werden, welchen Teufel den Expertenrat geritten hat, um ein derartiges Manifest mit einem solchen Titel zu versehen und gleichzeitig Pflegekräfte als vermeintlichen Elite darzustellen.

Eine Elite ist immer etwas Herausgehobenes.

Pflege bedarf aber gerade keiner herausgehobenen Stellung, sondern ein Vertrauensverhältnis, das begründet ist durch Empathie, Zuwendung zum Menschen und der Bereitschaft einen Menschen ganzheitlich zu pflegen.

Durch den indirekten Elitebegriff fallen sämtliche Aspekte, die eine Pflege im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes entspricht, heraus.

Zudem widerspricht der demografische Wandel völlig der Personalentwicklung in den nächsten Jahren.

Demografischer Wandel vs. Elite

Sowohl Ärzte wie auch Pflegepersonal fehlen.

Weder das im Koalitionsvertrag vereinbarte Sofortprogramm für die Pflege noch das Manifest sorgen für eine Attraktivitätssteigerung des Berufes.

Der demografische Wandel und die Zunahme der Pflegebedürftigen widersetzen sich jeglicher vermeintlicher Verbesserungsvorschläge, die bislang vorgebracht wurden.

Insbesondere ist es mit äußerster Sorge zu betrachten, wenn durch die Akademisierung der Pflege sich eine quasi Elite ausbildet, die zukünftig zwischen Pflegewissenschaftlern, examinierten Pflegekräften und möglichen pflegerischen Hilfskräften unterscheidet.

Denn dann würde genau die Hierarchie entstehen, gegen die Pflegekräfte jahrzehntelang im Bereich der ärztlichen Versorgung angekämpft haben.

Erst seitdem sich die Pflege von dem ärztlichen Berufsfeld emanzipiert hat, ist im Hinblick auf die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegekräften überhaupt von einer gegenseitigen Wertschätzung die Rede.

Früher war die Pflegekraft für den Arzt lediglich eine Hilfskraft.

Wenn nun Pflegekräfte, die im Anschluss an eine Berufsausbildung ein Bachelorstudium absolviert haben und dadurch zu einer vermeintlichen Elite gehören, meinen, sich von der pflegerischen Basis abheben zu müssen, begehen sie genau den Fehler, der von den Pflegekräften in Bezug auf die Ärzte jahrzehntelang kritisiert wurde.

Pflege als Elite ungeeignet

Pflege bedeutet Hinwendung zum Menschen und nicht ein abgehobenes akademisches Expertenwissen von sich zu geben, ohne letztlich nur noch einen Fachbezug zur eigentlichen Pflege zu besitzen.

Insofern muss die Pflege explizit darauf achten, dass es nicht ein Auseinanderdriften der Schere zwischen theoretischer Pflege im Sinne von Pflegewissenschaften und praktischer Pflege im Sinne von examinierten Pflegekräften und möglichen Pflegehilfskräften kommt.

Gerade der ganzheitliche Ansatz der Pflege macht ein miteinander sämtlicher Ebenen ohne Elitegedanken unabdingbar, insbesondere im Sinne der Patienten beziehungsweise der Pflegebedürftigen. Die Studie der Robert-Bosch-Stiftung können Sie hier kostenlos downloaden.

Welche Erfahrung haben Sie in ihrem Berufsalltag als Pflegekraft  mit  der Elitendiskussion in der Pflege gemacht?  – Wir freuen uns sehr auf Ihre Zuschriften per eMail an Post@Pflege-Liebe.de.

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